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LAND ART. RICHARD LONG

»Land Art«? Ist eine Kategorie für Kritiker. Das jedenfalls erklärt Richard Long, der zu den wichtigsten und bedeutendsten »Land Art«-Künstlern der Gegenwart zählt.

Natürlich geht es um Land und Landschaft und um Kunst. Aber nicht wie bei der »Land Art« darum, die Landschaft mit den Mitteln der Kunst zu gestalten. Für Richard Long ist die Landschaft selbst ein wesentlicher Teil der Kunst. Die Landschaft ist ebenso wichtig wie die Skulptur. Landschaft und Skulptur sind eines.

»Walking a Line in Peru« 1972 © Richard Long

»Ich bin nicht daran interessiert, Landschaften zu verändern«, hat er mir einmal in einem Interview gesagt. »Meine Arbeit ist eher ein Dialog mit der Landschaft, eine Berührung. Ich versuche, eine Beziehung zu ihr herzustellen. Eine Beziehung zu bestimmten Orten und Oberflächen, zu Distanzen oder Horizonten«. 

Sein Zugang zur Kunst ist sehr einfach – lange Wanderungen. Durch den simplen Vorgang des Wanderns entsteht ein sehr direkter, persönlicher und physischer Zugang zur Welt – und zur Kunst. Der Künstler Richard Long ist ein Wanderer.

»Sahara Circle« 1988 © Richard Long

Auf seinen Wanderungen aber setzt er Zeichen – die einfachsten und ältesten Zeichen, die es gibt. Einen Kreis, eine gerade Linie. Richard Long arbeitet seit Jahrzehnten mit Kreisen – in Schottland, in der Sahara, in Alaska. »Ich bin oft in Kreisen gegangen. Meine künstlerische Entwicklung geht über Kreise«.

»Was ist offener als ein Kreis»? Für Richard Long ist das eine rhetorische Frage. Über die Formen seiner Kunst sagt er: »Meine Arbeit schließt ein, nicht aus. Ich habe kein geschlossenes System, es ist sehr offen«.

»Stones In The Pyenees«, France 1986 © Richard Long

Richard Long, geboren 1945 in Bristol, hat an der St. Martin’s School of Art in London studiert und früh seinen eigenen Weg gefunden. Buchstäblich. Schon am Anfang seiner künstlerischen Arbeit steht ein »Walk« – eine Wanderung.

1967 läuft Richard Long, damals 22 Jahre alt, so lange auf einer Wiese vor und wieder zurück, bis das niedergetretene Gras einen geraden Weg gebildet hat. Dann photographiert er diese Linie. »A Line made by Walking« heißt diese erste Arbeit. Das ist neu. Der Begriff »Land Art« entsteht erst später.

»A Line in the Himalayas« 1975, printed 2004 © Richard Long / Tate 

Richard Long schafft Kunst aus und inmitten der Natur – lange vor jeder Debatte um Umwelt und Ökologie. Sein »footprint« ist flüchtig. Er hinterlässt Spuren in der Natur, aber seine Spuren sind vergänglich. Er setzt Kreise und Linien in eine leere Landschaft, photographiert sie – und gibt sie der Natur zurück. Sie verwittern in der Sonne, verwaschen im Regen und wehen fort mit dem Wind.

»Rolling Stones. An Eleven Day Walk in Norway« 2008 © Richard Long

Von der Naturromantik »grüner« Großstädter ist das weit entfernt. Die Natur ist nicht romantisch. Sie kann karg sein und kalt, abweisend und feindlich. Auch ein »15 Days Walk« durch die Antarktis, die Steppen der Mongolei oder das Hoggar Gebirge ist nicht romantisch. »Ich vertrete keine romantischen Ideen«, sagt Richard Long. »Das wahre Leben hat mit Romantik nichts zu tun«.

»A Circle in Antarctica. Ten Days in the Heritage Range of the Ellsworth Mountains« 2012 © Richard Long

Das Gehen macht den Unterschied. Im Gehen verblassen die romantischen Vorstellungen. Im Gehen bleiben alle ideologischen Konzepte zurück. Es geht nur um den Moment, um die konkrete und unmittelbare Erfahrung. Das Leben wird sehr einfach. Aufstehen, gehen, Wasser suchen, ein Camp aufbauen, essen, schlafen.

»Man wandert im Moment. Man denkt nicht an Vergangenheit oder Zukunft«, erklärt Richard Long. »Wandern ist eine Möglichkeit, im Moment zu leben. Einfach und klar. Immer wenn ich wandere, werden alle Dinge größer und weiter«.

»A circle in the Andes ||« 1972 © Richard Long

So einfach wie die Mittel sind auch die Materialen seiner Kunst. Steine und Schlamm, Holz und Torf – gewöhnliche, rohe und natürliche Materialien. Vor allem Steine. »Ich liebe die Vorstellung, dass Steine das Material sind, aus dem die Welt besteht«.

Manchmal kommt eine Idee hinzu. Ein Muster, das zwischen dem Raum und der Zeit entsteht, zwischen Zeit und Entfernung, zwischen Entfernung und Stein. Manchmal zählt Richard Long auch Sonnenstunden, Windrichtungen oder Geschwindigkeiten, die er in den Texten dokumentiert, die sein Werk begleiten. 

»Sunrise Circle« © Richard Long

Die Wanderungen sind der eine Teil seiner Kunst. Der andere findet in Museen und Galerien statt. Beides gehört zusammen. Die Erfahrungen oder Empfindungen einer einsamen Wanderung kann man nicht reproduzieren. Aber man kann die Kunst zeigen, die daraus entsteht. Das ist eine Form der Kommunikation, ein Dialog mit dem Publikum.

Richard Long, »River Avon Mud Circle« 2011 © bpk / Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart Berlin, SMB / VG Bild-Kunst, Bonn 2011 / Thomas Bruns

Die meisten Menschen leben in Städten. Die meisten Künstler arbeiten in einem urbanen Kontext. »Was meine Kunst betrifft«, sagt Richard Long, »glaube ich, dass in ihr etwas zu spüren ist von der Natur, von ihren Quellen und Ressourcen, selbst wenn man ihr in Städten und Galerien begegnet«.

»Sandy Lane Stones« Bristol 1995 © Richard Long

Die Kunst ist eine Abstraktion der Dinge, die auf einer Wanderung geschehen. Sie ist eine Art Symbol. Eine Wanderung ist der Ausdruck von Raum und Freiheit. Die Kunst ist eine poetische Imagination von Raum und Freiheit. Und diese Imagination kann in jedem Menschen bewahrt und erinnert werden.

Zur Eröffnung des Berliner Museums »Hamburger Bahnhof« etwa hat Richard Long 1996 seinen »Berlin Circle« geschaffen – einen großen Kreis aus grauen Schiefersteinen. Den kann man im Kreise umgehen und ist damit auch auf einem »Walk« – auf einer Wanderung. 

»Berlin Circle«, Museum für Gegenwart, Sammlung Erich Marx © Hamburger Bahnhof, Berlin

Die Ausstellungsmacher hatten damals den Satz eines Zen-Meisters aus dem 18. Jahrhundert an die Wand geschrieben: »The great circle mirrors the wisdom of endless purity«. Überhaupt haben einige Kritiker seine Arbeit mit der Ästhetik des japanischen Zen verglichen. Doch Richard Long schüttelt den Kopf. »Ich hoffe, dass meine Kunst zeitlos ist und universal«.

Natürlich ist sie auch meditativ. Wandern ist eine Form von Meditation. Kunst  ist eine Form von Meditation. Richard Longs Arbeit hat alles, was eine wahre Meditation braucht – Stille und Leere, Aufmerksamkeit, Konzentration und die Reduktion auf das Wesentliche.

»Stones in Iceland« 1974 © Richard Long

»Meine Kunst liegt in der Natur der Dinge«, sagt Richard Long am Ende unseres Gespräches. »Sie ist einfach, fast primitiv. Sie ist sinnlich, instinktiv und intuitiv. Sonst nichts. Das ist alles«. 

Beitragsbild »Tsunami Driftwood Circle. Seven Days Walking on the Tanesashi Coast«, Aomori / Japan 2013 © Richard Long

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