Cashmere macht süchtig. Nicht nur an kalten Wintertagen. Wenn man nur einen einzigen Pullover im Schrank haben kann, dann sollte er aus Cashmere sein. Auch wenn man dafür sparen muss.
Cashmere ist unvergleichlich weich und warm, elegant und exklusiv. 1937 trägt Lana Turner in dem Film »They Won’t Forget« einen Cashmere-Pulli. Seither ist Cashmere nicht nur in der Modewelt ein Synonym für zeitlosen Luxus.
Cashmereziegen leben in den Steppen der Mongolei, in China, Afghanistan und im mittelasiatischen Hochland. In den strengen Wintern mit Temperaturen unter -30 ° C produzieren die Ziegen eine leichte und flaumige Unterwolle, die im Frühling zu »schweben« beginnt und dann ausgekämmt wird. Das ist der Rohstoff – und seit Jahrhunderten die Existenzgrundlage der nomadisch lebenden Hirten.
Cashmere ist selten und kostbar. Eine Cashmereziege liefert jährlich etwa 500 Gramm, davon ist nur die Hälfte verwertbar. Der Rest ist verschmutzt oder gehört zum gröberen Deckhaar, das von der feinen Unterwolle getrennt werden muss. Für einen leichten Pulli braucht man mindestens 200 Gramm Cashmere, für einen dicken handgestrickten Pullover ein ganzes Kilo.
Es gibt Cashmere und es gibt Cashmere. Die Qualitätsunterschiede sind immens. Angesichts der Rohstofflage kann es billigen Cashmere ehrlicherweise nicht geben. Der Preis allein ist aber auch keine Garantie. Ich hatte mal einen sündteuren Cashmere-Pulli von einem »Luxuslabel«, der nach kürzester Zeit so mit Knötchen übersät war, dass er aussah, als hätte ich ihn aus der Altkleidersammlung gefischt. Bei dem vorsichtigen Versuch, die Knötchen mit einem Cashmere-Kamm zu entfernen, entstanden plötzlich lauter Löcher.
Cashmere ist sehr empfindlich, deshalb können Knötchen auch auf dem besten Pullover entstehen. Allerdings besteht hochwertiger Cashmere aus langen Fasern (25 bis 90 Millimeter), die deutlich weniger zur Knötchenbildung neigen als kurze oder gemischte Fasern.
Auch eine engmaschige Struktur ist ein Hinweis auf gute Qualität. Mein oben genannter Pulli war sehr locker gestrickt, das hätte mir eine Warnung sein müssen. Je loser die Maschen, desto weniger Cashmere wurde verwendet.
Ich hätte auch auf das Etikett achten müssen: »Made in China«. Die billigen Cashmeres-Sorten stammen leider oft aus China. Sie werden in Fabriken mit hohem Volumen produziert und enthalten auch die groben oder dunklen Fasern, die dann stark bearbeitet und gebleicht sind.
Der Blick auf das Etikett hilft aber auch nur bedingt. Selbst wenn »100 Prozent Kaschmir« draufsteht, muss der Anteil an Cashmere nur 85 Prozent betragen. Der Rest können Kunststofffasern oder mit Silikonen weichgespülte Wolle sein.
Auf einige Hersteller aber kann man sich verlassen. Zu den ältesten und bis heute auch besten in Europa gehört die schottische Wollfabrik Johnstons of Elgin, die schon seit 1797 in ihrer Mühle in Moray hochwertige Cashmere-Produkte produziert.
Johnstons of Elgin kauft 24 verschiedene Arten Cashmere von ausgewählten Lieferanten, die den Massenmarkt nicht beliefern und verzichtet auf Bleichmittel und Weichmacher, die zwar dafür sorgen, dass sich der Pulli beim Kauf gut anfühlt, die empfindlichen Fasern aber beschädigen und ihre Lebensdauer deutlich verkürzen.
Zudem wird der Cashmere bei Johnstons of Elgin auf alten Keilmaschinen mit Riemenantrieb verarbeitet – das sieht vielleicht antiquiert aus, schont aber die Fasern. Auch hat die Firma die gesamte Produktion im eigenen Haus – färben, spinnen, weben und veredeln. Vieles ist hier Handarbeit. Ein besonderes Qualitätsgeheimnis ist das weiche und leicht alkalische Wasser, das auch den schottischen Whisky so einzigartig macht.
Extrem selten und entsprechend teuer ist das sogenannte Baby-Cashmere, das von den weißen, sechs Monate alten Cashmereziegen in den Alashan-Bergen in der Inneren Mongolei gewonnen wird. Das Wetter ist hier extrem, auf sengend heiße Sommer folgen eiskalte Winterblizzards. Die jungen Ziegen überleben mit dem weichen Untervlies, das nur einmal in ihrem Leben und nur im Monat Juni ausgekämmt werden kann.
Das italienische Luxuslabel Loro Piana produziert seit einigen Jahren eine kleine Kollektion aus Baby-Cashmere. Es ist besonders weich und dauerhaft und braucht komplexe Spinn- und Färbetechniken, damit die Reinheit des Materials erhalten bleibt.
Noch andere Hersteller garantieren hohe Qualität. Bei einigen Labels weiß ich das aus eigener Erfahrung. Bei Iris von Arnim natürlich, die nicht zufällig seit 35 Jahren als »Cashmere Queen« gilt, auch bei dem italienischen Label MALO, das ebenfalls seit den 70er Jahren für High-End-Cashmere steht. Das Münchner Label ALLUDE hat eine eigene »Cashmere Clinic«, in der man Lieblingsstücke reparieren lassen kann.
Hochwertiger Cashmere bleibt ewig schön. Vorausgesetzt, er wird richtig gepflegt. Man wäscht ihn am besten in der Maschine – das schont die Wolle und vermindert Knötchen. Im Wollwaschgang, kalt oder bis maximal 20 Grad bei 400 Umdrehungen. Mein Lieblingswaschmittel ist das »Wool & Cashmere Shampoo« mit Zedernholz von »The Laundress« aus New York, das nicht nur die empfindlichen Fasern schützt, sondern auch als Mottenschutz dient.
Diana Vreeland übrigens, Modekolumnistin und in den 60er Jahren Chefredakteurin der amerikanischen Vogue, trug ihre Cashmere-Pullis immer verkehrt herum – sie fand das »so viel schmeichelhafter«.
Beitragsbild Uma Thurman © Marcus Ohlsson / Icon Magazine 2014
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