Ich war wandern. Im Grand Teton National Park in Wyoming, USA. Der »Wilde Westen« ist unglaublich schön. Eine endlos weite Prärie, durch die man stundenlang fahren kann, ohne einer Menschenseele zu begegnen.
Dann plötzlich zerklüftete Bergketten, die ohne Vorwarnung aus der Ebene ragen. Kleine Bäche, die über die Steine plätschern, herbstlich verfärbte Wälder, ein himmelblauer Bergsee, einsam und still. Wenn man Glück hat, kann man »Wildlife« beobachten, Bisons und Bären, Elche und Wapiti-Hirsche. Es soll auch Pumas geben, aber ich habe keinen gesehen.
Auf dem Weg von Colorado nach Wyoming © acCascade Canyon, Grand Teton National Park © acJackson Lake, Grand Teton National Park © ac
»Bear Attack« steht auf den Schildern am Wegesrand. Die nimmt man erst mal nicht ernst, weil die Landschaft so ruhig und friedlich scheint. Bis unvermittelt ein riesiger Schwarzbär durch das Unterholz rennt, keine dreißig Meter entfernt. Danach trägt man brav ein »Bear Spray« mit sich herum, das wie ein Colt an der Hüfte hängt. Ob es was nützt, wenn ein Bär so nahe ist, das man es verwenden könnte, ist allerdings fraglich. Selbst wenn man kaltblütig genug ist, um im Angesicht eines leibhaftigen Bären stehen zu bleiben und sein Spray zu zücken, hat man doch womöglich die Windrichtung falsch berechnet und trifft am Ende nur sich selbst.
»Bear Country«, Wyoming
Der Grand Teton liegt in den Rocky Mountains südlich vom Yellowstone National Park, der berühmt ist für seine Geysire, die regelmäßig Fontänen ausstoßen und für die blubbernden und vielfarbigen Schlammtöpfe, in denen kochender Wasserdampf und vulkanische Gase an die Oberfläche gelangen. Hier wird man daran erinnert, dass die Erdkruste nur eine relativ dünne und spröde Schicht über der glühenden Magma bildet und dass wir uns, geologisch gesehen, auf eher unsicherem Boden bewegen.
Im »Presidental Hunting Camp on the Yellowstone« erlegt der US-Präsident Theodore »Teddy« Roosevelt Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Grizzly-Bären. Aus seiner Sicht ist der Charakter des Grizzly ein Symbol für die besten amerikanischen Tugenden – »Stärke, Intelligenz, Draufgängertum. Manchmal ein wenig blind und sorglos, aber immer mutig. Nie besiegt und nie bezwungen. Und noch etwas gehört dazu – Einsamkeit«.
Zur selben Zeit übrigens bringt die deutsche Spielzeugfabrikantin Margarete Steiff ihren ersten Plüschbären auf den Markt. Mit Billigung des amerikanischen Präsidenten nennt sie ihn »Teddy«. Soviel zum Thema Bären.
Ralph Lauren © Annie Leibovitz / Vanity Fair
Go West! Das ist der große amerikanische Mythos. Auf historischen Trails »from coast to coast«. Der Pioniergeist des 19. Jahrhunderts prägt den »Western Style« bis heute. Unangefochtener Meister ist der amerikanische Designer Ralph Lauren, der den alten Traum seit einem halben Jahrhundert pflegt. Ganz ohne Zynismus oder Ironie.
Natürlich gehören Jeans dazu – Hemden, Hosen und Jacken aus verwaschenem Denim im Used Look. Am besten von Kopf bis Fuß und mit abgetragenen Cowboystiefeln, silberbeschlagenen Gürteln und Westernhut.
Ruby Rose © Courtesy of Denim & Supply Ralph LaurenStore Double RL by Ralph LaurenMaye Musk © Noah Stone / James Perse, The Ranch
Was der »Western Style« sonst noch braucht: Rustikale Shearlingjacken, karierte Holzfällerhemden, Lederwesten mit Fransen, Silberschmuck mit Türkisen, Mokassins und Ponchos mit indianischen Mustern.
Edie Campbell © Mikael Jansson / Vogue Paris 2017Mit indianischem Muster bemaltes Fell im Amangani Resort, Jackson HoleEdward S. Curtis, Geronimo—Apache, 1905. Bear’s Belly—Arikara, 1908.
Natürlich ist der »Western Style« reine Romantik. Kinotaugliche Cowboys gibt es längst nicht mehr und die alten Indianer sind nur noch auf den berühmten Bildern des amerikanischen Photographen Edward Sheriff Curtis zu sehen, der Jahrzehnte seines Lebens damit verbringt, das traditionelle Leben der »Native Americans« im frühen 20. Jahrhundert zu dokumentieren.
Indianische Tipis stehen heute nur noch auf dem Dach des Flughafens in Denver – die nostalgische Reminiszenz an ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte – und auf der Double RL Ranch von Ralph Lauren in Colorado. »American Dreamer« hat das Magazin Vanity Fair den Designer genannt – einen Mann, der die Vergangenheit sucht, um die Gegenwart zu gestalten.
Jackson Hole, Wyoming © ac
Die Ebene östlich des Grand Teton heißt Jackson Hole, die kleine Stadt in Western-Architektur ebenso. Wer hier noch keine Ranch hat, kommt leider zu spät. Prominenz aus Film und Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren in die Gegend verliebt und die Preise in schwindelnde Höhen getrieben.
Das typische »Western Style Interior« funktioniert aber auch ohne eigene Ranch. Man braucht grob gehauene Steine, holzvertäfelte Wände, dunkles Leder, Felldecken, alten indianischen Federschmuck, Bilder von Büffeln und Bisons, viele Bücher, weiß gebleichte Geweihe und natürlich eine Feuerstelle. Die Nächte sind kühl in den Rockies und die Winter sind lang.
Im Hotel Jackson, Jackson Hole
Im Hotel Jackson, Jackson HoleGrand Teton, Jackson Hole © acIm Amangani Resort, Jackson HoleBibliothek im Amangani Resort, Jackson Hole
Die beste Zeit für eine Reise nach Wyoming sind das späte Frühjahr, also Ende Mai, wenn die Prärie voller Wildblumen steht, und der frühe Herbst, September bis Anfang Oktober, wenn die Zitterpappeln in Orangetönen glühen und die Luft so klar ist, dass man viele Meilen weit sehen kann. Die schönsten Unterkünfte sind das Hotel Jackson im Ort Jackson Hole (www.hoteljackson.com) und das Amangani Resort auf den Hügeln über der Ebene (www.aman.com/resorts/amangani).
Beitragsbild Rianne van Rompaey © Mikael Jansson / Interview September 2017