Man Ray, Noire et Blanche, 1926
Truth and Style? Wahrheit und Stil? Geht das zusammen? Unbedingt! Stil hat tatsächlich mit Wahrhaftigkeit zu tun, mit Aufrichtigkeit und Authentizität. Mit Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und einer gewissen Treue zu sich selbst.
Ich habe mich mein Leben lang mit zwei Themen beschäftigt. Einerseits mit der Suche nach Wahrheit – mit Philosophie, Kultur und Religion. Und andererseits mit dem Streben nach Schönheit – mit Mode, Kunst und Stil. Lange schienen mir beide Beschäftigungen ein unvereinbarer Widerspruch. Ich fand keine Verbindung, keine Schnittstelle. Die einzige Gemeinsamkeit schien meine eigene persönliche Begeisterung. Ich habe erst spät begriffen, dass das Verlangen nach Wahrheit und das Streben nach Schönheit aus derselben Quelle stammen – aus einer Sehnsucht nach Größe und Sinn, nach Ordnung und Zeitlosigkeit. Nach irgendeinem Paradies oder Olymp. Auch wenn es das niemals geben sollte.
Für den antiken griechischen Philosophen Platon ist das Streben nach Schönheit ein elementares Verlangen der Menschheit. Es ist kein eitler, müßiger und eher minderwertiger Zeitvertreib für gelangweilte Damen, sondern ein ursprüngliches Bedürfnis des Menschen, das jede halbwegs entwickelte Kultur kennzeichnet und gestaltet. Das Streben nach dem Schönen steht gleichrangig neben dem Streben nach Wissen und Wahrheit. Das Schöne wird mit dem Wahren gleichgesetzt. »Dem Wahren Schönen Guten« steht in steinernen Lettern auf dem Portal der im 19. Jahrhundert erbauten Alten Oper in Frankfurt am Main. Und der deutsch-amerikanische Architekt Ludwig Mies van der Rohe erklärt noch im 20. Jahrhundert: »Schönheit ist der Glanz der Wahrheit«.
Natürlich weiß ich, dass das Schöne nicht unbedingt wahr ist. Es gibt schöne Fassaden, die nichts sind als Fassaden. Es gibt den schönen Schein, der nichts ist als eine Illusion. Ein schönes Bild muss nicht wahr sein. Ein Bild ist nur ein Bild. Die Macht der Bilder ist heute stärker denn je, doch im Zeitalter von digitaler Bildbearbeitung, Retusche und Photoshop, können wir uns auf Bilder nicht mehr verlassen. Das Schöne ist längst nicht mehr das Wahre. Aber alle Schönheit – in einem Gedicht oder einem Gedanken, einem Kunstwerk oder einem Kleiderentwurf – ist noch immer, wie der französische Schriftsteller Stendhal einmal gesagt hat, »une promesse de bonheur«, eine Verheißung von Erfüllung und Glück.
Wahrer Stil. Was ist das? Wahrer Stil ist zeitlos und alterslos. Wahrer Stil setzt Selbsterkenntnis und die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit voraus. Stil ist immer etwas Eigenes, etwas Individuelles und Unverwechselbares. Eine eigene Handschrift oder eine persönliche Note. Stil setzt Selbstbewusstsein voraus, Unabhängigkeit, Freiheit, Eigensinn und Mut. Den Mut zu sich selbst.
Be yourself! Be stylish and true, Darling.
ABOUT
Truth and style? Does that go together? Definitely! Style has to do with truthfulness, sincerity and authenticity. It has to do with honesty, reliability and loyalty to oneself.
All my life I have dealt with two topics. On the one hand there was the search for truth – taking philosophy, culture and religion. And on the other hand I searched for the pursuit of beauty – fashion, art and style. For a long time both occupations seemed to me an incompatible contradiction. I found no connection. The only common ground seemed to be my own personal enthusiasm. I understood only late that the desire for truth and the striving for beauty come from the same source – from a longing for greatness and meaning, for order and timelessness. For some paradise or Olympus. Even if that should not exist at all.
For the ancient Greek philospher Plato, the pursuit of beauty is an elementary human desire. It is not a vain, idle and rather inferior pastime for bored ladies, but an original human need that characterizes and shaper every culture. The striving for the beautiful is of equal importance to the striving for knowledge and truth. The beautiful is equated with the true. »Dem Wahren, Schönen, Guten« (To the True, the Beautiful and the Good) stands in stone letters on the portal of the 19th century »Alte Oper« (Old Opera House) in Frankfurt am Main/Germany. And the German-American architect Ludwig Mies van der Rohe still declared in the 20th century: »Beauty is the splendor of truth.«
Of course I know that the beautiful is not necessarily true. Facades may be beautiful but nevertheless nothing else than facades. There is a beautiful appearance, which is nothing but an illusion. A beautiful picture does not have to be true. A picture is only a picture. The power of images is stronger today than ever, but in this age of digital image processing, retouching and Photoshop, we can no longer rely on them. Beauty is no longer truth. But all beauty – in a poem or a thought, a work of art or a dress design – is still, as the French writer Stendhal once said, »une promesse de bonheur«, a promise of fulfilment and happiness.
True style. What is this? True style is timeless and ageless. True style requires self-knowledge and development of the own personality. Style is always something own, something individual and unmistakable. It is your own handwriting, your personal touch. Style requires self-confidence, independence, freedom, stubbornness and courage. The courage to be yourself.
Be yourself! Be stylish and true, Darling!