Alles beginnt mit Versailles. Der Palast des »Roi Soleil« ist das große Vorbild – für Luxus und Pracht, Mode und Manieren, Sprache und Stil. Versailles ist der Inbegriff des Graziösen und Glamourösen, des Eleganten und Erhabenen. Versailles ist herrschaftlicher Glanz und Geschmack.
Das gilt auch für Architektur und Interieur – gigantische Säle, deckenhohe Spiegel, schwere Kristallkronleuchter, wertvolle Gemälde und Gobelins, Marmorsäulen, antike Statuen, vergoldeter Stuck, bemalte Decken, Intarsien, Paravents, Exotika und tausend andere kunstvolle Kostbarkeiten.
Versailles, das Symbol einer vergangenen absolutistischen Epoche, bleibt ein Ideal. Noch 2017 richtet der Modedesigner Karl Lagerfeld zwei »Grand Appartements« im Hôtel de Crillon am Place de la Concorde in diesem Stil ein. Das »Interieur à la Parisienne«, so die Vorstellung des Designers, ist majestätisch und braucht Seide und Samt, Kristalleuchter und Baldachine, Marmor, Stuck und Antiquitäten aus dem 18. Jahrhundert.
Überhaupt bleiben die großen französischen Modeschöpfer des 20. Jahrhunderts, vor allem Christian Dior und Coco Chanel, dem Ideal treu. Dior lässt seinen Salon in der Avenue Montaigne ganz im Louis XVI-Stil einrichten – mit einem Eichenparkett wie in Versailles, mit vergoldeten Spiegeln, Medaillonsesseln und Marmor.
In diesem Ambiente zeigt Dior in dem kriegsmüden Paris von 1947 seinen »New Look« – sein Versprechen auf die Rückkehr von Romantik und Raffinesse, von Eleganz und Etikette, Höflichkeit und hoher Handwerkskunst.
Sein Grauton übrigens, bis heute die ikonische Farbe des Modehauses, trägt den Namen »Trianon« – wie das Lustschloss von Marie Antoinette im Park von Versailles.
Auch Coco Chanel, in ihrer Mode eher schlicht, liebt ein verschwenderisches Interieur. In ihrem berühmten Appartement in der Rue Cambon ist Versailles allgegenwärtig – Kristallkronleuchter und hohe Spiegel, Paravents, antike Skulpturen und vergoldete Löwen, barocke Dekors und exotische Accessoires. Noch ist die üppige Dekoration ein Synonym für Luxus und »Grandesse«.
Die Zeiten haben sich geändert. Luxus definiert sich längst nicht mehr über Opulenz und Prunk. Die Luxusgüter der Zukunft sind ganz andere – Raum und Stille, Rückzug und Gelassenheit. Diese Dinge werden in unserem überfüllten Alltag immer seltener – und immer wichtiger.
Kaum jemand hat das besser verstanden als der französische Interior Designer Guillaume Alan. Er setzt auf Reinheit und Ruhe, auf Zurückhaltung und Reduktion, auf Subtilität und Sensitivität.
Das Ergebnis sind zeitlos elegante und fast poetische Räume, in die man sich zurückziehen kann – und sich wiederfindet. Minimalistisch, aber luxuriös. Rein, aber raffiniert. Pur, aber exquisit.
Guillaume Alan kreiert einen makellosen Minimalismus – edle Materialien, maßgefertigte Möbel, monochrome Farben und exzellente Handwerkskunst. Damit hat er, wie die Architectural Digest US konstatiert, den Minimalismus »auf eine neue Höhe« gebracht.
2002 eröffnet Guillaume Alan in Paris Saint-Germain-des-Prés sein erstes Studio, wenige Jahre später eine Dependance in London. Von Anfang an arbeitet er mit seiner Design-Partnerin Emilie Le Corre zusammen – beide teilen dieselbe Ästhetik, denselben hohen Anspruch an Harmonie und Perfektion.
Ein wunderschönes Beispiel ihrer Arbeit ist ein Pariser Appartement in einem der vielen Haussmann-Gebäude aus dem frühen 19. Jahrhundert. Es beginnt wie ein Kirchenschiff – mit hohen gewölbten Steinbögen nach dem Vorbild der Orangerie von Versailles, Spiegeln in den Arkaden und einem alten Mosaikboden in gedämpften Tönen von Grau, Bronze und Altgold.
Danach wird es ganz und gar minimalistisch. Überall weißes Leinen und Leder, hellgrau gebürstete Eiche, Wände in einem »Off-White« mit einem zarten Grau, das Guillaume Alan entwickelt und »craie« genannt hat – Kreide. Das alles macht die Räume weit und schafft jene Tiefe, Textur und Wärme, die minimalistischem Design sonst so oft fehlt.
Im Wohnzimmer bestechen ein hohes Deckengewölbe, schneeweiße Möbel und ein drei Meter langer Kaminsims aus einem einzigen Stück massivem Carrara-Marmor, der schwerelos im Raum zu schweben scheint.
Licht spielt eine bedeutende Rolle. »Licht macht Architektur. Dank des Lichts können Wände, Raum, Schatten existieren«, weiß der Designer, der den gesamten Grundriss neu gestaltet hat, um so viel natürliches Licht wie möglich einzufangen.
Im Esszimmer dominieren Fenster, die von einer alten Tür in Oxford inspiriert sind, Säulen aus Licht und Schatten und die leicht geschwungenen Linien der Stühle, die der reduzierten asiatischen Ästhetik des Zen folgen.
Ein zurückgenommenes Refugium par excellence ist das Bad. Auch hier ein weißer Marmor, der so gewählt wurde, dass jede Maserung perfekt harmoniert. Lediglich die schwarzen Armaturen setzen einen Akzent.
Architektur, Licht, Materialien und Möbel – das Appartement ist ein Gesamtkunstwerk. »Wir nehmen die Räume als Ganzes wahr. Alle Elemente scheinen ineinander überzugehen – wie eine zusammenhängende Bilderreihe«, erklärt Guillaume Alan.
Das verbindet ihn zuletzt doch noch mit Versailles – mit dem ersten Architekten Louis Le Vau, der ein kleines Jagdschloss in eine königliche Residenz verwandelt. Auch Versailles ist ein Gesamtkunstwerk – alle Räume und jedes Detail sind perfekt aufeinander abgestimmt.
Etwas Zeitloses und zugleich Außergewöhnliches zu schaffen, das ist Alans erklärtes Ziel. Seine Kunden und die internationale Presse goutieren das.
Das Buch »Generation Next – Architects & Interior Designers Defining Tomorrow«, das im Juni im belgischen Verlag Beta-Plus Publishing erschienen ist, nennt Guillaume Alan einen der »vielversprechendsten Designer« der Gegenwart.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Beitragsbild Appartement Avenue Victor Hugo, Paris © Design Guillaume Alan / Photo Matthew Donaldson
Link zu einem Film über die Arbeit von Guillaume Alan: https://www.youtube.com/watch?v=GalEFQK7TCk