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DIE HAUT RETTEN II

Nein Darling, wir sprechen hier nicht von »Anti Aging«. Das ist ja überhaupt das Unwort des Jahrhunderts, vorläufig jedenfalls. Gegen das Altern sein ist ebenso idiotisch wie gegen das Leben sein. Wenn man leben möchte, ohne zu altern, dann altert man womöglich, ohne zu leben.

Natürlich, zart und rosig soll die Haut aussehen, wie ein Geschenk der Götter. Doch das gibt es nicht – zumindest nicht jenseits der Dreißig. Man kommt in aller Regel nicht mit heiler Haut durchs Leben.

Natürlichkeit oder besser, ein natürlicher Look, ist meist alles andere als natürlich. Eine natürlich schöne Haut ist vielmehr das Ergebnis konsequenter und richtiger Pflege.

Less is more. Das ist zwar eine grundsätzliche Maxime für Schönheit und guten Stil, doch in der Hautpflege gilt sie ganz besonders. Um die Haut zu retten, braucht es nicht mehr Produkte, sondern weniger.

Annie Morton ©  Juergen TellerRoni Horn, »Structures« © Roni Horn /  Whitney Museum of American Art

Vor fast zwanzig Jahren hat mir die damalige Beauty-Redaktion der deutschen »Vogue« einen Berliner Dermatologen empfohlen, der meine Hautpflege auf eine radikal einfache Basis gestellt und mir eine einzige Creme gemixt hat. Der Professor praktiziert zwar längst nicht mehr, aber sein Rezept ist noch immer genial. Abgesehen von einem traditionellen Basisträger enthält seine Creme nur einen einzigen Wirkstoff: Urea Pura.

Urea ist ein hauteigener Harnstoff, der Wasser in der oberen Hautschicht bindet und wie ein natürlicher Feuchthaltefaktor wirkt. In der Dermatologie gilt er als ein »Wundermittel« gegen trockene, irritierte und entzündete Haut, auch gegen Psoriasis und Neurodermitis. Für mich ist diese Creme seither die Basis meiner Gesichtspflege.

Gisele Bündchen © Pop Magazine 2015 / Harley Weir

Wir benutzen nicht nur zu viele Produkte. Auch die Produkte selbst haben zu viele Inhaltsstoffe. Die meisten kennen wir nicht mal. Kaum eine Creme etwa verzichtet auf Silikone, die so schön glatt machen, aber auch so schön versiegeln und deshalb auch zum Abdichten von Fugen oder zur Produktion von Möbelpolituren verwendet werden.

Selbst Produkte, die mit natürlichen oder pflanzlichen Inhaltsstoffen werben, enthalten häufig Parfume wie Benzylbenzoat, Konservierungsstoffe wie Phenoxyethanol, das auch als Lösungsmittel in Tinten und Kugelschreiberpasten verwendet wird, Emulgatoren wie Polysorbat 20, das zur Stabilisierung von Schaum eingesetzt wird und sich in der Beschichtung von Offset-Papieren findet. Fast immer enthalten diese Produkte auch Aromastoffe wie Benzylalkohol, der auch in Desinfektionsmitteln und Lacken als Lösemittel eingesetzt wird.

Für die Haut ist Alkohol, vor allem in Reinigungsgels, Gesichtswassern und Anti-Akne-Produkten, eine reine Katastrophe. Bereits eine geringe Konzentration zerstört nicht nur ein Viertel der Hautzellen, sondern auch die Lipide und Enzyme in der Schutzschicht.

© Michelle Bernard Photography / WordPress

Der Professor hatte mich damals auch nach meinen üblichen Reinigungsprodukten befragt und als ich alles aufzählte, hat er mich etwas spöttisch gefragt, ob ich in einem Bergwerk arbeite. Das hat mich erst mal irritiert. Schließlich haben wir über die Jahre gelernt, dass unsere Haut täglich schmutzig wird, auch wenn wir nicht in einer Kohlenmine arbeiten – durch Feinstaub, Rauch, Schwefeldioxid, toxische Mikropartikel oder Klimaanlagen.

All dieser Schmutz führt zur Bildung von sogenannten freien Radikalen. Diese schädigen die Funktion der für die Zellen wichtigen Moleküle und machen die kollagenen Fasern porös und brüchig. Die Haut wird trocken, empfindlich und schlimmstenfalls krank. Müssen wir sie da nicht gründlich schrubben?

Daria Werbowy © Porter Magazine 2015© Deborah Turbeville, Bathhouse. Vogue US 1975

Nein. Ganz im Gegenteil. Unsere Haut ist schließlich keine Badezimmerfliese und auch kein Küchenfußboden. Unsere Haut ist ein hochkomplexes und lebenswichtiges Organ, das unseren Organismus einerseits vor allzu großem Wasserverlust durch Verdunstung und andererseits vor Krankheitserregern und schädlichen Stoffen schützt. Um antimikrobiell zu wirken und das Wachstum von Bakterien oder Pilzen auf verhindern zu können, braucht die Haut einen intakten Säureschutzmantel.

Durch die meisten Reinigungsprodukte aber wird diese natürliche Schutzschicht geschwächt und das gesunde Mikrobiom der Haut zerstört – Unreinheiten, Rosazea oder Ekzeme können die Folge sein.

Was nun? Mein Dermatologe hatte eine kompromisslose Antwort: Weg damit! Sauberes Wasser reicht vollkommen aus. Bei aller anfänglichen Skepsis – nach zwei Jahrzehnten kann ich versichern, dass Wasser wirklich vollkommen reicht. Eine gesunde Haut reinigt sich selbst, sofern man sie lässt.

Ich benutze seither morgens und abends kleine und mit warmem Wasser durchtränkte Handtücher, die ich wie eine Kompresse auf das Gesicht lege. Am Morgen ist das ein wunderbares Aufwachritual, das alle nächtlichen Entgiftungsrückstände zuverlässig entfernt, abends nimmt es allen Schmutz und Staub des Tages fort.

Vogue Italia May 2016 © Paolo Roversi

Ich höre immer wieder den Einwand, dass man mit Wasser kein Make-up entfernen kann. Das stimmt. Aber mal umgekehrt gefragt: Wozu brauchen wir Make-up?

Make-up ist eine Art Maske – alles, was man dahinter verstecken will, wird nur betont. Junge Haut verliert durch Make-up ihre Frische und Lebendigkeit. Und ältere Haut sieht mit Make-up noch älter aus.

Fast jedes handelsübliche Make-up-Produkt enthält zudem die oben genannten Silikone, die dafür sorgen, dass die Haut nicht mehr atmen kann. Sauerstoffmangel aber führt mittelfristig zum Abbau der kollagenen Fasern.

Caroline de Maigret © Getty Images

»Dicke Make-up-Schichten sind ein No-Go« erklärt die französische »Influencerin« Caroline de Maigret kategorisch: »Französinnen meiden Foundation, denn sie hat denselben Effekt wie ein Leichentuch. Sie gleicht den Teint aus und lässt ihn dadurch nichtssagend erscheinen«.

Glücklicherweise ist der »No-Make-up-Look« mittlerweile ein internationaler Trend. Nicht nur Sängerin Alicia Keys hat dem Make-up öffentlich abgeschworen, auch Topmodels wie Toni Garrn, Alessandra Ambrosio oder Adriana Lima zeigen sich auf ihren Instagram-Profilen gerne ungeschminkt. Bei Avantgarde-Designern wie Alexander Wang laufen die Models auch auf dem Laufsteg ohne Make-up.

Es gibt bessere Tricks, um gut auszusehen. Man kann ein wenig Concealer auftragen, gegen die Schatten unter den Augen oder die kleinen Rötungen an den Nasenflügeln oder wo sonst irgend etwas stört. Das reicht vollkommen. Ich benutze am liebsten den »Light Fantastic Cellular Concealer« von LA PRAIRIE. Er ist zwar ziemlich teuer, hat aber feuchtigkeitsspendende Eigenschaften und hält sehr lange.

Natürlich muss man nicht auf »Schönmacher« wie Lippenstift oder Mascara verzichten. Ein roter Lippenstift sieht auf einem ansonsten »nackten« Gesicht besonders gut aus und schminkt sich überdies von selbst wieder ab. Und Mascara kann man durch die Pflegecreme auch ganz leicht abnehmen.

Luca © Agata SergeBarbara Sukowa, New York 2013 © Brigitte Lacombe

Warum sollen oder wollen wir unsere natürliche Schönheit hinter einer Maske aus Make-up verstecken? Unsere Sommersprossen und unsere heißen Wangen und all unser gelebtes Leben?

 

 

 

Beitragsbild © Paolo Roversi / Vogue Italia 2017

4 Kommentare

  1. silke silke

    Liebe Angela,

    ist deine Gesichtscreme für jeden geeignet? Du siehst so toll aus – die möchte ich auch!!!!

    xxx Silke

    • angelacontzen angelacontzen

      Liebe Silke,

      ja, die Creme ist für jede Haut super. Feuchtigkeit pur. Ohne Farbstoffe, Duftstoffe, Konservierungsstoffe (man muss sie im Kühlschrank aufbewahren). Ich schicke Dir gern das Rezept. Danke für Dein schönes Kompliment und liebste Grüße, Angela

  2. Johanna Heeg Johanna Heeg

    Hallo Angela,

    ich würde mich auch sehr über dein Creme-Rezept vom Professor freuen!

    Danke und liebe Grüße,

    Johanna

    • angelacontzen angelacontzen

      Liebe Johanna,

      hier das Original-Rezept für die Creme:
      Urea pura 5.0/Vasel.ao10.0/Ungl.amulsif.aquoa.ad /M.f.Ungl. 100.0.
      Kann jede Apotheke mischen. Dauert einen Moment, bis die Creme einzieht. Nicht irritieren lassen.

      Liebe Grüße, Angela

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