»Bei all ihrer schicken Magerkeit strahlt sie eine Haferflocken-Gesundheit aus, eine Seifen- und Zitronen-Reinlichkeit. Sie weiß, wie man eine gute Party feiert. Sie weiß, wie man von einem reichen Verehrer fünfzig Dollar abstaubt, ohne sich klein zu machen. Und sie weiß, was hilft, wenn man vom »roten Elend« überfallen wird, dieser unbestimmten Angst vor der Welt: Ein Abstecher zu Tiffany. Beim Juwelier auf der Fifth Avenue kann ihr nichts und niemand etwas anhaben.«
So beschreibt Truman Capote die Figur der Holly Golightly in seinem Roman »Breakfast at Tiffany’s«, der 1958 erscheint. Drei Jahre später kommt der gleichnamige Film in die Kinos. Und Audrey Hepburn bezaubert als New Yorker Partygirl Holly die ganze Welt.
Audrey Hepburn in »Breakfast at Tiffany’s« © John Kobal Foundation / Getty Images
Audrey Hepburn 1953 in »Roman Holiday« © Getty Images
Audrey Hepburn ist eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen der 50er- und 60er Jahre. Gleich mit ihrem ersten Film »Roman Holiday« wird die völlig unbekannte Vierundzwanzigjährige über Nacht berühmt und erhält zudem einen Oscar als beste Hauptdarstellerin. Filmpartner Gregory Peck sorgt dafür, dass ihr Name gleich groß mit seinem im Vorspann erscheint. »Denn sie wird ein großer Star, und ich werde wie ein großer Dummkopf aussehen«.
Audrey Hepburn gehört zu den meist photographierten und meist geliebten Schauspielerinnen der Filmgeschichte. Sie ist von glamouröser Schönheit und gleichzeitig von mädchenhaftem Charme. Everybody loves Audrey.
Audrey Hepburn 1954 am Set von »Sabrina«, Paramount Pictures Los Angeles © Donaldson Collection/Michael Ochs Archives /Getty Images
Audrey Hepburn 1955 © Philippe Halsman / Magnum Photos / Cover für Life Magazine
Sie ist anders. Sie ist modern. In der Epoche der Atombusen ist die ausgebildete Ballett-Tänzerin mit ihrer knabenhaften Figur und ihrem kurz geschnittenen Haar geradezu eine Anomalie. Der amerikanische Regisseur Billy Wilder fürchtet denn auch, dieses Mädchen werde es noch schaffen, »den Busen ganz aus der Mode zu bringen«.
Audrey Hepburn ist bis heute eine Stil-Ikone, eine der ganz wenigen, auf die dieser inflationäre Begriff wirklich zutrifft. Das ist eigentlich erstaunlich. Denn sie ist berühmt für etwas, das in der Moderne längst verschwunden ist – Eleganz, Anmut und Manieren. Die Faszination aber ist geblieben. »In a world full of Kardashians, be an Audrey«, habe ich kürzlich irgendwo gelesen.
Audrey Hepburn in Vogue 1955 © Norman ParkinsonAudrey Hepburn 1963 in »Charade«, Mantel von Givenchy © Ciné Sorbonne
Audrey Hepburn schreibt Modegeschichte. Schwarze Rollkragenpullover, schwarze Zigaretten-Hosen, Perlen, lange Handschuhe und Jacken oder Mäntel mit 7/8-Ärmeln. »Mein Look ist leicht zu kopieren. Frauen können wie ich aussehen, wenn sie sich die Haare hochstecken, große runde Sonnenbrillen kaufen und ärmellose Kleider tragen«.
Das ist natürlich nicht wahr. Um wie Audrey auszusehen, braucht es weit mehr. Es braucht Grazie und einen gewissen Liebreiz, Unbekümmertheit und Leichtigkeit. Es braucht eine zarte Figur und vor allem einen »persönlichen« Couturier vom Range eines Hubert de Givenchy, der einem die eng taillierten Kleider und Kostüme auf den Leib schneidert.
Audrey Hepburn 1954 in »Sabrina« © Bud Fraker / Courtesy of Paramount Pictures / Getty ImagesAudrey Hepburn in »Breakfast at Tiffany’s« © REX
Die britisch-niederländische Schauspielerin und der französische Modeschöpfer treffen sich 1954 in Paris. Miss Hepburn ist für ihren Film »Sabrina« auf der Suche nach französischer Couture und lässt sich im Atelier des aufstrebenden Designers Hubert de Givenchy anmelden. Dieser hat die große und von ihm verehrte Katharine Hepburn erwartet und ist erst mal enttäuscht. Auch hat er keine Zeit. Die nächste Kollektion wartet.
Trotzdem erinnert er sich genau an seinen ersten Eindruck. »Sie war sehr dünn, hatte wunderschöne Augen, kurzes Haar, buschige Augenbrauen und trug eine schmal geschnittene Hose, Ballerinas, ein T-Shirt und einen Strohhut wie ihn Gondoliere tragen, mit einem roten Band, auf dem groß VENEZIA stand.« Das, findet Givenchy, »ist zu viel des Guten«.
Audrey darf dennoch einige Kleider aus der letzten Saison anziehen, darunter ein eng tailliertes graues Kostüm und ein besticktes Ballkleid. Givenchy ist begeistert. Audrey Hepburn ist der Inbegriff der Eleganz und passt perfekt zu den Entwürfen des selbst stets elegant gekleideten Designers.
Audrey Hepburn 1958 in Rom mit ihrem Yorkshire Terrier »Mr. Famous« © Reporters Associati
Audrey Hepburn und Hubert de Givenchy 1964 in Paris © Getty Images
Fortan trägt Audrey Hepburn fast nur noch Givenchy – in ihren Filmen und auch privat. »Nur in Kleidern von Givenchy fühle ich mich wie ich selbst«. Audreys Stil wird ikonisch. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen der Leinwand und dem Leben. Und Givenchy kleidet niemanden so oft und so gern ein wie sie. Hepburn ist die schönste Werbefläche, die der Designer sich wünschen kann.
Givenchys Entwürfe sind raffiniert, aber niemals freizügig. Die Kleider sind im Rücken tief ausgeschnitten, das Dekolleté aber bleibt bedeckt. Die Kostüme sind scharf tailliert, aber niemals aufreizend. Die Hüte sind extravagant, aber niemals ordinär. Eleganz bleibt die oberste Maxime. Und Eleganz ist niemals aufdringlich.
Audrey Hepburn mit einem Hut von Givenchy © Cecil Beaton
Audrey Hepburn 1957 in »Funny Face, Mantel von Givenchy © Getty Images
Spätestens mit dem schwarzen Etuikleid aus »Breakfast at Tiffany’s« geht Givenchy in die Geschichte ein. Das Kleid ist betont schlicht – keine Opulenz, keine Rüschen, kein Chi Chi. Nur Satin-Handschuhe und eine dreireihige Perlenkette mit riesiger Strassapplikation. Mehr braucht es nicht, um sich einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Mode zu sichern.
»In der Haute Couture arbeiten wir wie Schönheitschirurgen«, hat der Designer einmal erklärt. »Wir tilgen Unvollkommenheiten und verfeinern die Silhouette«. 2006 übrigens wird das Kleid für 692.000 Euro bei Christie’s versteigert und gilt damit als teuerstes Outfit der Filmgeschichte.
Audrey Hepburn in »Breakfast at Tiffany’s« © Everett Collection
Ende der 60er Jahre zieht sich Audrey Hepburn aus dem Filmgeschäft zurück und kümmert sich vor allem um ihre beiden Kinder. Fernab von Hollywood ist das ihre liebste Rolle. In einem letzten Auftritt in Steven Spielbergs Film »Always« spielt sie einen Engel. Und irgendwie ist sie auch einer.
Audrey Hepburn 1989 in Steven Spielbergs Film »Always«Audrey Hepburn 1992 in Somalia © UNICEF NYHQ
Sie ist Sonderbotschafterin der UNICEF und engagiert sich für Kinder in Entwicklungsländern. Sie organisiert Wohltätigkeitgalas, sammelt Spenden, bereist Länder wie Äthiopien, Somalia, El Salvador oder Bangladesch und bekommt für ihre humanitäre Arbeit den Ehrendoktor der renommierten amerikanischen Brown University. 1993 verliert sie ihren Kampf gegen den Krebs – sie ist 63 Jahre alt.
Eine Stil-Ikone ist sie auch nach ihrem Tod geblieben. Ihre Botschaft nämlich ist zeitlos gültig. »Elegance is the only beauty that never fades«.
Beitragsbild © Joseph McKeown / Popperfoto / Getty Images